Lebensweise der Pilze
Wo und wann? Wie und warum?
"Wo findet man denn hier Steinpilze?" Dieser Frage sieht sich wohl jeder Pilzberater regelmäßig ausgesetzt und wird ein wenig milde lächeln. Zum einen ist es schade, dass all die vielen anderen leckeren Schwammerln nicht die nötige Aufmerksamkeit bekommen, zum anderen wird es zu Enttäuschungen führen, wenn er einen Standort verrät und dieser gerade zu der Zeit, an dem der Eingeweihte dort sucht, keine Früchte trägt.
Was nun? Da hilft nur selbst herauszufinden, wo und wann diese oder jene Art wächst. Sehr hilfreich ist dabei, wenn man ein wenig über die Lebensweise der Pilze weiß. Sicher ist Ihnen schon aufgefallen, das Pfifferlinge nicht überall und zu jeder Zeit wachsen, sondern zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten. Was haben diese Orte gemeinsam? Ein weniger willkommener Pilz ist der Schwamm im Keller oder im Gebälk des Hauses. Warum gedeiht er ausgerechnet bei mir so prächtig und was kann ich tun, um ihn loszuwerden? Auch diese Frage findet Antwort im Liebesleben der Fungi.
Der Pilz und seine Früchte
Zunächst ist es wichtig zu wissen, dass der eigentliche Pilz, nämlich das sogenannte Myzel, im Verborgenen wächst. Wir wollen es mit dem Stamm und Astwerk eines Apfelbaumes vergleichen. Das Myzel kann im Erdreich wachsen oder in bestimmten Substraten, z.B. auf totem Holz, wie eben in den Balken ihres Hauses, oder in der Laubschicht auf dem Waldboden. Heben wir dieses hoch, so sehen wir an manchen Stellen ein meist weißes, spinnenwebartiges Geflecht. Dies ist das Lebewesen Pilz, vergleichbar mit unserem Apfelbaum.
Zu bestimmten Zeiten nun bildet das Myzel Fruchtkörper aus, so wie der Obstbaum Früchte trägt. Diese bezeichnen wir gemeinhin als den Pilz. Nun verstehen wir auch, warum jedes Jahr wieder an einem bestimmten Ort die gleichen Pilze erscheinen. Das Myzel wächst dort standorttreu und trägt zuweilen Früchte wie ein Baum. Andere Pilzarten wachsen auf toten Bäumen. Dort bilden Sie logischerweise nur solange Fruchtkörper aus, bis der Baum vollständig verrottet und verschwunden ist.
Wann genau ein Pilz fruktifiziert, hängt zunächst von der Art ab, so wie ein Apfelbaum eben in einer anderen Jahreszeit Früchte trägt als eine Weide. Weiterhin spielen jedoch veränderliche Umwelteinflüsse wie Temperatur und Feuchtigkeit eine entscheidende Rolle, über die Sie mehr unter Ökologie finden.
Wovon ernährt sich der Pilz?
Anders als Pflanzen, mit denen die Pilze übrigens nicht näher verwandt sind, sind letztere nicht in der Lage, Photosynthese zu betreiben, also das Kohlendioxyd aus der Luft mit Hilfe von Sonnenlicht zu spalten und daraus Kohlenhydrate aufzubauen. Sie müssen ihre Nährstoffe aus organischem Material gewinnen. Diese Lebensweise nennt man heterotroph.
Unabhängig von der Klassifizierung in Ordnungen, Familien, Gattungen, etc lassen sich Pilze in die Art und Weise ihrer Ernährung einteilen. Wir unterscheiden Saprobionten, Parasiten und Symbionten, die sich auf verschiedene Weise Nährstoffe erschließen und damit an verschiedenen Standorten zu finden sind.
Saprobionten oder Saprophyten
Die Saprobionten, auch Saprophyten genannt, zersetzen totes organisches Material und erfüllen damit eine wichtige Funktion im Kreislauf der Natur. Würde es sie nicht geben, so lägen in jedem Wald meterhoch Blätter, Äste und ganze Bäume aus Jahrhunderten und Jahrtausenden. Wir begegnen ihnen jedoch auch zuhause in der Obstschale, wenn die Orange etwas länger liegt oder auch in den tragenden Balken unseres Daches. Da hilft bei Lebensmitteln nur, schneller zu sein als der Schimmelpilz und im Gebäudeschutz die Veränderung der Bedingungen, will man nicht zu giftigen Fungiziden greifen. Doch diese Pilze zersetzen nicht nur Pflanzen, sondern jegliche Art von Lebewesen. Wir finden Sie auf toten Tieren ebenso wie auf anderen Pilzen. Hier gibt es Spezialisten, die ein ganz bestimmtes Substrat brauchen. So wächst z.B. der Ästige Stachelbart ausschließlich auf toten Buchen. Andere Arten, wie z.B. Champignons und Austernpilze sind weniger wählerisch und wachsen im Wald auf abgestorbenen Blättern bzw. Bäumen ebenso wie im Keller auf Strohballen oder Pferdemist. Diese Pilze lassen sich daher relativ leicht kultivieren und sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. In einem aufgeräumten Park ohne Totholz und Blätterstreu werden wir weniger Saprobionten erwarten als in einem naturbelassenen Wald. In unseren Seminaren steigen wir tiefer in diese Materie ein und erfahren, welche Arten welches Material bevorzugen.
Parasiten
Der Name klingt erst mal fies und deutet darauf hin, dass diese Pilze sich von lebenden Organismen ernähren. Auch hier müssen dies nicht Pflanzen sein, andere Pilze, Tiere und sogar Menschen sind genauso betroffen. Wer möchte schon den Schorf auf seinem Apfelbaum sehen und auch der Fußpilz erfreut sich nicht uneingeschränkter Beliebtheit. Doch die Natur unterscheidet nicht in gut und böse und eigentlich auch nicht in wichtig oder unwichtig. Wir können diese Pilze auch als Gesundheitspolizei auffassen, die hauptsächlich vorgeschädigte Organismen angreift und damit hier eine ähnliche Funktion erfüllt, wie der Hecht im Karpfenteich. Dieser sorgt für eine gesunde Population seiner Beutetiere, indem er gezielt kranke und schwache frisst.
Ein Beispiel im Reich der Pilze ist der Hallimasch. Ihn finden wir im Wald ebenso wie im Garten. Tritt er dort auf, so können wir sicher sein, dass demnächst der eine oder andere Baum bzw. Busch sein Leben aushaucht. Dies erfreut uns natürlich weniger, doch Schuld - sofern man davon überhaupt im Kreislauf des Lebens sprechen möchte - ist nicht der Pilz, sondern beispielsweise ein trockener Sommer, der die Pflanzen geschwächt und damit anfällig gemacht hat. Kennen wir diese Mechanismen, so können wir z.B. durch regelmäßiges, jedoch auch nicht übermäßiges Wässern dem Hallimasch auf unserer Scholle Einhalt gebieten, während er beim Nachbarn sein Unwesen treibt. Umgekehrt fürchten Hautpilze die trockene Luft eines Föns wesentlich mehr als die chemische Keule der Pharmaindustrie. Warum dies nicht jeder Arzt verrät? Qui bono?!
Symbionten oder Mykorrhizapilze
Sympatischer erscheinen uns in unserer subjektiven Betrachtung da schon die Symbionten, die nicht am Ab- sondern am Aufbau von Bäumen beteiligt sind. Letztlich tragen sie genauso viel oder wenig zum Funktionieren des großen Ganzen bei, wie die vorgenannten Lebensformen. Der Trick zu Überleben aller Symbionten besteht im Geben und Nehmen. Die Partner der symbiotisch lebenden Pilze, auch Mykorrhizapilze genannt, sind Bäume und andere Pflanzen. Der Pilz spinnt sein Myzel als feines Flechtwerk, der sogenannten Mykorrhiza, um die Wurzelspitzen des Partnerbaumes. Die feinen Verästelungen des Myzels können wesentlich besser als die gröberen Baumwurzeln die Mineralien des Bodens aufnehmen. Diese geben sie an den Baum weiter, der sie für sein Wachstum benötigt. Im Gegenzug versorgt der Baum den Pilz mit Kohlehydraten, die dieser ja nicht selbst aufbauen kann.
Diese Art von Pilzen leben also nicht wie manche Saprophyten in und von abgestorbenen Blättern in der obersten Schicht des Waldbodens, sondern tief im Erdreich an den Baumwurzeln. Genauso wie die anderen Pilzarten bilden sie zu bestimmten Zeiten Fruchtkörper aus, dies freilich auch überirdisch, um die Sporen verbreiten zu können. Es lohnt sich also zunächst zu wissen, dass solche Pilze in unmittelbarer Nähe bestimmter Bäume zu finden sind, wobei die Angaben zur maximalen Entfernung zum Stamm in der Literatur sehr unterschiedlich sind. Manche Autoren meinen, die Suche lohne sich nur in einem Durchmesser, der dem der jeweiligen Baumkrone entspricht, andere geben einen Radius an, der der dreifachen Länge der Baumhöhe entspricht. Meine Erfahrung ist, dass dies von der Pilzart abhängt. Manche wachsen stets dicht am Stamm, andere in durchaus großem Abstand, so dass es sich lohnt, den Blick schweifen zu lassen.
Über diese Grundlagen hinaus ist einerseits interessant zu wissen, welcher Pilz mit welcher Pflanze eine Partnerschaft eingeht, um gezielt suchen zu können. Dabei hat sich herausgestellt, dass manche Fungi nur mit einer bestimmten Pflanze in Symbiose gehen. So ist bespielsweise der Goldröhrling streng an die Lärche gebunden. Andere Schwammerln haben einige wenige Partner, wie z.B. der Fichtensteinpilz, der, anders als sein Name vermuten lässt, nicht nur bei Fichten sondern auch in der Nähe anderer Baumarten zu finden ist, die zu kennen natürlich von höchstem Interesse ist. In unseren Kursen halten wir damit nicht zurück. Noch andere Fungi haben ein breites Spektrum von Partner.
Auf der anderen Seite lohnt sich auch, die Angelegenheit von Seite der Pflanzen aus zu betrachten. Einige von Ihnen, z.B. die Birke, gehen Symbiose mit verschiedenen Röhrlingen aber auch Blätterpilzen, wie z.B. dem Fliegenpilz, ein. Andere haben wenige Partner oder nur einen einzigen und gedeihen daher nur in einem Gebiet, in dem auch der entsprechende Pilz vorkommt. Noch andere brauchen gar keine Mykorrhizapilze zum wachsen, in ihrer Nähe suchen wir vergebens nach Steinpilz und Pfifferling. Welche dies sind - hier erfahren Sie es.